
Die alten Recruiting-Methoden im Handwerk sind am Ende. Um die Generation Z zu erreichen, müssen Betriebe die Wünsche der Jugend in eine erlebbare Betriebsrealität übersetzen.
- Echte Flexibilität, wie die 4-Tage-Woche, schlägt materielle Boni wie den Obstkorb um Längen.
- Ein digitales Arbeitsumfeld (Tablet statt Zettelwirtschaft) ist kein Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung.
- Wertschätzung zeigt sich nicht in Worten, sondern in einem perfekten Onboarding und klaren Zukunftsperspektiven.
Empfehlung: Hören Sie auf, über die „Jugend von heute“ zu klagen. Fangen Sie an, ihre Sprache zu lernen und ihre digitalen Werkzeuge zu nutzen, um die besten Talente für Ihren Betrieb zu sichern.
Leere Werkbänke, unbesetzte Lehrstellen und ein Stapel Bewerbungen, der erschreckend dünn ist – dieses Bild kennen viele Handwerksmeister in Deutschland nur zu gut. Die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs hat sich zu einer der größten Herausforderungen für die Branche entwickelt. Es ist eine harte Wahrheit: Allein im Jahr 2022 blieben laut Branchenzahlen rund 30.000 Ausbildungsplätze im deutschen Handwerk unbesetzt. Viele Betriebe reagieren darauf mit den gleichen, altbekannten Rezepten: ein etwas höheres Gehalt, ein Jobticket oder der obligatorische Obstkorb in der Kantine. Doch diese Köder ziehen nicht mehr.
Die Generation Z, aufgewachsen mit Smartphones, globalen Krisen und unendlichen Möglichkeiten, tickt anders. Sie sucht nicht nur einen Job, sie sucht einen „Fit“. Es geht um Werte, Flexibilität, Anerkennung und eine digitale Normalität, die viele Handwerksbetriebe noch nicht bieten. Doch was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, verzweifelt Trends hinterherzulaufen, sondern die eigenen Stärken des Handwerks in die Sprache dieser neuen Generation zu übersetzen? Was, wenn es nicht um teure Gimmicks geht, sondern um eine grundlegende Modernisierung der Ausbildungskultur?
Dieser Artikel bricht mit den alten Mythen. Wir zeigen Ihnen, warum die 4-Tage-Woche eine stärkere Anziehungskraft hat als jede Prämie und wie ein Tablet auf der Baustelle zum entscheidenden Recruiting-Vorteil wird. Wir tauchen ein in die Welt von TikTok, analysieren die Bedeutung des ersten Arbeitstages und klären, wann sich die Investition in schulisch schwächere, aber motivierte Bewerber wirklich lohnt. Bereiten Sie sich darauf vor, Ihre Perspektive zu ändern und konkrete Strategien an die Hand zu bekommen, um im Wettbewerb um die besten Köpfe wieder die Nase vorn zu haben.
Um Ihnen einen klaren Weg durch diese neuen Ansätze zu weisen, haben wir die wichtigsten Strategien in übersichtliche Kapitel unterteilt. Der folgende Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt zu einer attraktiveren und zukunftsfähigen Ausbildung in Ihrem Betrieb.
Inhaltsverzeichnis: Der Weg zum attraktiven Ausbildungsbetrieb für die Gen Z
- Warum lockt der Obstkorb niemanden mehr, aber die 4-Tage-Woche schon?
- Tablet statt Besen: Wie digital muss die Lehre auf der Baustelle heute sein?
- Der erste Tag: Wie verhindern Sie, dass der Azubi in der Probezeit abspringt?
- TikTok für Tischler: Wie erreichen Sie Bewerber dort, wo sie abhängen?
- Mathe-Nachhilfe im Betrieb: Wann lohnt sich die Investition in schwächere Bewerber?
- Der Brain-Drain: Warum Ihre besten Ingenieure zu Tesla oder Startups abwandern
- Der „Lücken“-Fehler: Wie erklären Sie die Auszeit zur Neuorientierung positiv?
- Wie gelingt der Quereinstieg in die IT-Branche mit 45 ohne Informatikstudium?
Warum lockt der Obstkorb niemanden mehr, aber die 4-Tage-Woche schon?
Die Generation Z hat eine klare Hierarchie, wenn es um Arbeitgeber-Benefits geht: Erlebbare Lebensqualität schlägt materielle Zusatzleistungen. Ein Obstkorb ist nett, aber er verändert nichts am Alltag. Eine 4-Tage-Woche hingegen bedeutet einen ganzen zusätzlichen Tag für Hobbys, Freunde oder einfach nur zum Regenerieren. Das ist ein fundamentaler Eingriff in die Work-Life-Balance, der für junge Menschen einen unschätzbaren Wert hat. Es ist das Signal: Dieser Betrieb respektiert meine Zeit und mein Leben außerhalb der Arbeit. Während der Obstkorb als austauschbares Marketing-Gimmick wahrgenommen wird, ist ein flexibles Arbeitszeitmodell ein starkes Bekenntnis zur modernen Arbeitskultur.
Die Idee der 4-Tage-Woche ist im deutschen Handwerk keine ferne Utopie mehr. Seit Anfang Februar 2024 testen 45 deutsche Unternehmen, darunter auch vier Handwerksbetriebe, im Rahmen einer Pilotstudie dieses Modell. Ein erster Zwischenbericht zeigt, dass die Umsetzung machbar ist: Bei voller Bezahlung reduzierten 48% der teilnehmenden Unternehmen die Arbeitszeit um maximal 10%, 38% sogar um genau 20%. Dies beweist, dass Flexibilität kein Feind der Produktivität ist, sondern ein Weg, um als Arbeitgeber herauszustechen.
Doch es muss nicht immer gleich die radikale 4-Tage-Woche sein. Der entscheidende Punkt ist, Flexibilität als strategisches Werkzeug zu begreifen. Bieten Sie Modelle an, die zum Leben junger Menschen passen. Dazu gehören Jahresarbeitszeitkonten, die in der auftragsstarken Saison mehr Arbeit und in ruhigeren Phasen mehr Freizeit ermöglichen. Auch die Option einer Teilzeitausbildung nach § 7a BBiG kann ein Alleinstellungsmerkmal sein, das beispielsweise jungen Eltern oder pflegenden Angehörigen den Einstieg ermöglicht. Nutzen Sie tarifvertragliche Öffnungsklauseln und staatliche Förderungen, um passgenaue Lösungen für Ihren Betrieb zu schaffen. Zeigen Sie, dass Sie die individuellen Bedürfnisse Ihrer Azubis ernst nehmen – das ist mehr wert als jeder Bonus.
Tablet statt Besen: Wie digital muss die Lehre auf der Baustelle heute sein?
Für eine Generation, die mit dem Smartphone in der Hand aufgewachsen ist, wirkt ein Betrieb, der auf Zettelwirtschaft und veraltete Software setzt, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Frage ist nicht mehr *ob*, sondern *wie* digital die Ausbildung sein muss. Ein Azubi, der private Kommunikation über WhatsApp und Instagram regelt, erwartet auch im Job moderne und effiziente Kommunikationswege. Es geht nicht darum, das Handwerk an sich zu digitalisieren, sondern die Prozesse drumherum. Ein Tablet auf der Baustelle, mit dem Baupläne eingesehen, Aufmaße digital erfasst oder die Zeiterfassung mit einem Klick erledigt wird, ist heute keine Spielerei mehr, sondern ein Zeichen von Professionalität und Effizienz.
Die Botschaft ist klar: Wir sind ein moderner Betrieb, der mit der Zeit geht. Das symbolisiert Fortschritt und zeigt dem Azubi, dass er Fähigkeiten lernt, die auch in Zukunft relevant sind. Der Besen wird immer Teil des Handwerks sein, aber er darf nicht das Erste und Letzte sein, was ein Azubi in der Hand hält. Digitale Werkzeuge sind der „digitale Werkzeugkasten“, der die traditionellen Fähigkeiten ergänzt und aufwertet. Das reicht von der Nutzung von CAD-Software in der Werkstatt über die digitale Terminplanung bis hin zur Nutzung von Lern-Apps zur Vorbereitung auf die Berufsschule.
Stellen Sie sich vor, Ihr Azubi kann per App Mängel dokumentieren und direkt an den Meister schicken, statt Zettel zu suchen. Oder er kann sich über ein kurzes Video-Tutorial noch einmal ansehen, wie eine bestimmte Technik funktioniert. Diese Integration digitaler Tools in den Alltag macht die Arbeit nicht nur leichter, sondern auch interessanter und transparenter. Es zeigt, dass Sie in die Zukunft Ihres Betriebs und in die Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter investieren.

Wie dieses Bild symbolisiert, geht es um die smarte Verbindung von Tradition und Moderne. Der raue Holzbalken steht für das beständige Handwerk, das Tablet für die intelligenten Werkzeuge, die es zukunftsfähig machen. Ein Betrieb, der diesen Spagat meistert, sendet ein starkes Signal an den Bewerbermarkt und hebt sich deutlich von der Konkurrenz ab. Investieren Sie in eine zeitgemäße digitale Ausstattung – es ist eine Investition in Ihre Arbeitgebermarke.
Der erste Tag: Wie verhindern Sie, dass der Azubi in der Probezeit abspringt?
Die Entscheidung für oder gegen einen Betrieb fällt oft in den ersten Wochen. Die Probezeit ist nicht nur für den Arbeitgeber eine Testphase, sondern vor allem für den Azubi. Fühlt er sich willkommen? Wird er ernst genommen? Hat er das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun? Ein schlechtes Onboarding ist der häufigste Grund für einen Abbruch in der Probezeit. Es reicht nicht, dem neuen Azubi einen Spind zuzuweisen und ihn dann sich selbst zu überlassen. Der erste Tag muss ein sorgfältig geplantes Willkommenserlebnis sein – ein „Onboarding-Pakt“.
Dieser Pakt beginnt mit einer klaren Struktur: Ein fester Ansprechpartner (ein Pate oder der Meister selbst), ein sauberer und vorbereiteter Arbeitsplatz und ein Plan für die erste Woche. Zeigen Sie dem Azubi nicht nur die Toiletten, sondern erklären Sie die ungeschriebenen Regeln des Betriebs: Wer ist der Ansprechpartner für welche Fragen? Wie läuft die Mittagspause ab? Diese kleinen Dinge vermitteln Sicherheit und Zugehörigkeit. Wie die Ausbilderberaterin Sabine Bleumortier betont, ist die Haltung entscheidend:
Auch die Generation Alpha ist leistungsbereit. Aber man muss sie zu nehmen wissen. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration der jungen Leute in die Arbeitswelt sei ein respektvoller Umgang und Kommunikation auf Augenhöhe.
– Sabine Bleumortier, Ausbilderberaterin
Kommunikation auf Augenhöhe bedeutet auch, von Anfang an eine klare Perspektive aufzuzeigen. Viele junge Menschen haben Angst, in einer Sackgasse zu landen. Sprechen Sie offen über die Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten nach der Ausbildung. Das Handwerk bietet hier eine einzigartige Chance, die Startups oft nicht haben: die Perspektive der Unternehmensnachfolge. Zeigen Sie auf, dass ein Azubi von heute der Meister oder sogar der Inhaber von morgen sein kann. Dieses unternehmerische Potenzial mit überschaubarem Risiko ist ein starkes Argument, das Sicherheit und Sinnhaftigkeit vermittelt.
TikTok für Tischler: Wie erreichen Sie Bewerber dort, wo sie abhängen?
Wenn Ihre Zielgruppe nicht mehr die lokale Zeitung liest oder auf Jobmessen geht, müssen Sie dorthin gehen, wo sie ihre Zeit verbringt: auf Social-Media-Plattformen. Und zwar nicht mit steifen Stellenanzeigen, sondern mit authentischen Einblicken in Ihren Arbeitsalltag. Laut aktuellen Studien zur Generation Z sind YouTube, WhatsApp und Instagram die beliebtesten Plattformen bei jungen Menschen, dicht gefolgt von TikTok. Ein Tischler auf TikTok? Ein Elektriker auf Instagram? Unbedingt!
Der Schlüssel zum Erfolg ist Authentizität statt Hochglanz. Niemand erwartet eine professionelle Filmproduktion. Was zählt, sind echte Einblicke. Zeigen Sie in kurzen Videos, wie ein beeindruckendes Möbelstück entsteht, wie eine komplexe Installation gelingt oder lassen Sie Ihre aktuellen Azubis von ihren Erfolgserlebnissen berichten. Ein „Tag im Leben eines Azubis“-Video kann mehr über Ihren Betrieb aussagen als jede Imagebroschüre. Zeigen Sie den Teamgeist, den Humor in der Werkstatt und den Stolz auf die fertige Arbeit. Das ist die „Betriebsrealität“, die junge Menschen sehen wollen.
Denken Sie auch an die unsichtbare, aber mächtige Zielgruppe: die Eltern. Während die Jugendlichen auf TikTok und Instagram unterwegs sind, informieren sich die Eltern oft über Facebook oder die Unternehmenswebsite. Sprechen Sie sie gezielt mit Informationen zur Sicherheit des Ausbildungsplatzes, den Karrierechancen und den Werten Ihres Betriebs an. Ein digitaler Elternabend per Live-Stream kann eine innovative Möglichkeit sein, Vertrauen aufzubauen und Fragen direkt zu beantworten.
Ihr Aktionsplan für digitales Azubi-Marketing:
- Authentische Videos: Teilen Sie kurze, echte Videos mit Ihren Azubis auf TikTok und Instagram Reels, die den Arbeitsalltag zeigen.
- Eltern ansprechen: Nutzen Sie Facebook und Ihren Unternehmensblog, um Eltern gezielt mit Informationen über Karrierechancen und die Stabilität der Ausbildung zu versorgen.
- Instagrammable Praktika: Gestalten Sie Schülerpraktika so, dass sie visuell ansprechend sind und die Praktikanten von sich aus Inhalte teilen wollen (z.B. ein selbst gebautes Werkstück).
- Kooperationen nutzen: Arbeiten Sie mit lokalen Mikro-Influencern (z.B. aus der regionalen Maker-Szene) oder technikaffinen Lehrern zusammen, um Ihre Reichweite zu erhöhen.
- Digitale Elternabende: Organisieren Sie Live-Streams, um Fragen von Eltern direkt zu beantworten und einen transparenten Einblick in den Betrieb zu geben.
Social Media ist kein Hexenwerk, sondern eine Chance, die Leidenschaft für Ihr Handwerk direkt und ohne Umwege zu transportieren. Es ist Ihr digitaler Messestand, der 24/7 geöffnet hat.
Mathe-Nachhilfe im Betrieb: Wann lohnt sich die Investition in schwächere Bewerber?
Die Zeugnisse werden schlechter, die Bewerber weniger – eine Realität, mit der viele Ausbilder konfrontiert sind. Die naheliegende Reaktion ist, Bewerber mit einer 4 in Mathe oder Deutsch sofort auszusortieren. Doch in Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein Luxus, den sich kaum ein Betrieb noch leisten kann. Die strategisch klügere Frage lautet: Ist der Bewerber motiviert und passt er menschlich ins Team? Wenn ja, kann die Investition in schulische Förderung eine der besten Entscheidungen sein, die Sie treffen können.
Warum? Weil Sie damit ein extrem starkes Bedürfnis der Generation Z erfüllen: das Bedürfnis nach Sicherheit und Unterstützung. Die aktuelle Shell-Jugendstudie zeigt, dass 87% der befragten jungen Leute nach Sicherheit streben – ein deutlicher Anstieg. Ein Betrieb, der sagt: „Deine Noten sind nicht perfekt, aber wir sehen dein Potenzial und wir helfen dir“, schafft eine enorme emotionale Bindung und Loyalität. Diese Dankbarkeit zahlt sich oft in überdurchschnittlichem Engagement und einer geringen Abbrecherquote aus.
Diese Investition müssen Sie nicht allein stemmen. Der Staat bietet eine Reihe von Förderinstrumenten, um Betriebe bei der Ausbildung von schwächeren Jugendlichen zu unterstützen. Es ist entscheidend, diese Möglichkeiten zu kennen und zu nutzen.
Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten staatlichen Förderinstrumente für Ausbildungsbetriebe in Deutschland, die gezielt bei der Qualifizierung und Betreuung von förderbedürftigen Jugendlichen helfen.
| Förderung | Zielgruppe | Leistung |
|---|---|---|
| Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) | Schwächere Bewerber | Nachhilfe und sozialpädagogische Betreuung |
| Assistierte Ausbildung (AsA) | Benachteiligte Jugendliche | Individuelle Begleitung während der Ausbildung |
| Ausbildungsprämie | KMU-Betriebe | Finanzielle Unterstützung für zusätzliche Ausbildungsplätze |
Die Entscheidung, in einen schulisch schwächeren, aber motivierten Bewerber zu investieren, ist kein Almosen, sondern eine strategische Personalentwicklung. Sie sichern sich loyale Fachkräfte, nutzen staatliche Förderungen und positionieren sich als sozial verantwortungsvoller Arbeitgeber. Das ist ein Imagegewinn, der weit über die einzelne Personalie hinausstrahlt.
Der Brain-Drain: Warum Ihre besten Ingenieure zu Tesla oder Startups abwandern
Der Titel mag von Ingenieuren sprechen, doch das Prinzip des „Brain-Drain“ trifft das Handwerk mitten ins Herz. Es geht nicht nur um Ingenieure, die zu Tesla abwandern, sondern um Ihre besten, frisch ausgebildeten Gesellen, die nach der Lehre nicht im Betrieb bleiben. Sie gehen nicht unbedingt zu Startups, aber sie entscheiden sich vielleicht für ein Studium, wechseln in die Industrie oder zu einem Konkurrenzbetrieb, der als „cooler“ oder moderner gilt. Dieser Aderlass an Talent ist für kleine und mittlere Betriebe existenzbedrohend.
Warum passiert das? Oft, weil die Ausbildung als Endstation und nicht als Startrampe für eine Karriere wahrgenommen wird. Der Azubi lernt drei Jahre lang, wird als Geselle übernommen und soll dann die nächsten 40 Jahre die gleiche Arbeit machen. Diese Perspektive ist für die Generation Z ein Albtraum. Sie wollen Wachstum, Weiterentwicklung und neue Herausforderungen. Fehlt diese Perspektive, suchen sie ihr Glück woanders – genau wie der Ingenieur, der bei einem etablierten Konzern stagniert und die dynamische Umgebung eines Startups sucht.
Die Gegenstrategie ist ein klares und transparentes Karrierepfad-Modell innerhalb des Betriebs. Sprechen Sie schon im Bewerbungsgespräch darüber, was nach der Ausbildung kommt. Gibt es die Möglichkeit zur Spezialisierung? Unterstützen Sie die Meisterprüfung finanziell und zeitlich? Kann der Geselle Verantwortung für eigene kleine Projekte oder sogar für neue Azubis übernehmen? Bieten Sie Weiterbildungen an, nicht nur in Fachthemen, sondern auch in „Soft Skills“ wie Kundenkommunikation oder Projektmanagement.
Zeigen Sie, dass Ihr Betrieb ein Ort ist, an dem man wachsen kann. Der größte Fehler ist, die besten Leute als selbstverständlich anzusehen. Erkennen Sie ihr Potenzial, fördern Sie es aktiv und geben Sie ihnen einen Grund zu bleiben. Ein klar kommunizierter Karriereweg ist die beste Versicherung gegen den „Brain-Drain“ Ihrer wertvollsten Nachwuchskräfte.
Der „Lücken“-Fehler: Wie erklären Sie die Auszeit zur Neuorientierung positiv?
Normalerweise bezieht sich diese Frage auf den Lebenslauf eines Bewerbers. Drehen wir den Spieß um: Wie erklären Sie als Betrieb die „Lücke“ in Ihrer eigenen Geschichte? Die Jahre, in denen Sie keine Azubis gefunden haben, die Projekte, die wegen Personalmangels liegen blieben. Viele Betriebe machen den Fehler, diese Lücke negativ zu sehen – als Zeichen des Scheiterns oder als Bestätigung, dass „die Jugend“ nicht mehr arbeiten will. Das ist der „Lücken-Fehler“ aus Unternehmenssicht.
Eine weitaus stärkere Positionierung ist, diese Lücke als Phase der strategischen Neuorientierung zu deuten. Es war nicht einfach nur eine Lücke, es war der Moment, in dem Sie erkannt haben, dass die alten Wege nicht mehr funktionieren. Es war eine Zwangspause, die Sie genutzt haben, um Ihre Ausbildungskultur von Grund auf zu überdenken und zu modernisieren. Sie haben nicht resigniert, sondern analysiert und gehandelt.
Wenn Sie heute mit einem Bewerber sprechen, können Sie diese Geschichte positiv erzählen: „Ja, es gab eine Zeit, da war es schwierig für uns, Nachwuchs zu finden. Deshalb haben wir uns hingesetzt und alles auf den Prüfstand gestellt. Wir haben die 4-Tage-Woche als Option eingeführt, unsere Werkstatt digitalisiert und ein neues Paten-System für Azubis entwickelt. Die Lücke war der Weckruf, den wir gebraucht haben, um ein besserer Ausbildungsbetrieb zu werden.“
Diese Erzählung verwandelt eine Schwäche in eine Stärke. Sie zeigt Selbstreflexion, Lernfähigkeit und den Willen zur Veränderung – Eigenschaften, die von der Generation Z hoch geschätzt werden. Sie bewerben sich dann nicht bei einem Betrieb, der Probleme hat, sondern bei einem, der bewiesen hat, dass er Probleme lösen kann. Indem Sie Ihre „Lücke“ als Katalysator für positive Veränderung framen, schaffen Sie eine kraftvolle und ehrliche Geschichte, die weit überzeugender ist als jede Hochglanzbroschüre.
Das Wichtigste in Kürze
- Flexibilität schlägt Geld: Eine 4-Tage-Woche oder flexible Arbeitszeiten sind für die Gen Z wertvoller als ein reiner Gehaltsbonus.
- Digital ist der Standard: Ein moderner, digital unterstützter Arbeitsplatz ist keine Option mehr, sondern eine Grundvoraussetzung, um als Arbeitgeber ernst genommen zu werden.
- Onboarding entscheidet alles: Die ersten Wochen sind entscheidend. Ein strukturierter Einarbeitungsplan mit einem festen Paten und klaren Perspektiven bindet Talente langfristig.
Wie gelingt der Quereinstieg in die IT-Branche mit 45 ohne Informatikstudium?
Auf den ersten Blick hat dieser Titel nichts mit dem Handwerk zu tun. Doch bei genauerer Betrachtung enthält er die perfekte Metapher für die Herausforderung, vor der viele Handwerksmeister heute stehen. Um die Generation Z zu erreichen, müssen Sie als Ausbilder selbst zum „Quereinsteiger“ werden – zum Quereinsteiger in eine neue Welt der Kommunikation, der Werte und der digitalen Werkzeuge. Sie brauchen dafür kein „Marketing-Studium“, genauso wenig wie der 45-Jährige ein Informatikstudium für den IT-Quereinstieg braucht.
Was Sie brauchen, ist die Bereitschaft, eine neue „Sprache“ zu lernen. Die Sprache der Gen Z besteht aus schnellen, visuellen Inhalten (TikTok), direkter und transparenter Kommunikation (WhatsApp) und der Suche nach Sinn und Flexibilität. Ihr „Quereinstieg“ gelingt, wenn Sie aufhören, diese Sprache zu bewerten, und anfangen, sie zu nutzen, um die Faszination Ihres Handwerks zu übersetzen.
Ihr „neuer Werkzeugkasten“ sind nicht Hammer und Meißel, sondern Instagram, flexible Arbeitszeitmodelle und ein modernes Onboarding-Konzept. Der Erfolg des IT-Quereinsteigers hängt nicht von seinem Abschluss ab, sondern von seiner Fähigkeit, sich schnell neue Skills anzueignen und sich auf eine neue Kultur einzulassen. Genau das Gleiche gilt für Sie als Ausbilder. Ihr Meisterbrief ist das Fundament, aber Ihre Bereitschaft, neue Recruiting-Methoden zu lernen und anzuwenden, entscheidet über Ihre Zukunft.
Sehen Sie sich selbst als Pionier, der eine Brücke zwischen der traditionellen Welt des Handwerks und der digitalen Welt der nächsten Generation baut. Dieser „Quereinstieg“ in die Rolle eines modernen Ausbildungs-Marketers ist die anspruchsvollste, aber auch lohnendste Aufgabe. Es ist der Weg, um nicht nur einzelne Lehrstellen zu besetzen, sondern die Zukunft Ihres gesamten Betriebs zu sichern.
Beginnen Sie noch heute damit, eine dieser Strategien in Ihrem Betrieb umzusetzen. Testen Sie ein flexibles Arbeitszeitmodell, drehen Sie Ihr erstes TikTok-Video oder laden Sie zu einem digitalen Elternabend ein. Der erste Schritt ist der wichtigste, um im Wettbewerb um die besten Talente wieder die Führung zu übernehmen.